Von Teppich und Regenjacke: Schädliches PFAS auch in der Luft, die wir atmen | MDR.DE

2021-11-22 14:01:44 By : Ms. Mavis Tang

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PFAS-Stoffe machen Dinge wasserabweisend. Kleidung zum Beispiel. Und sie sind obendrein ziemlich schädlich. Wir nehmen sie nicht nur über die Nahrung auf, sondern auch über die Luft, wie eine neue Studie zeigt. Zum Glück gibt es bereits Alternativen. Also halbwegs.

Erfahrungsgemäß ist die Kehrseite der Medaille ein Ärgernis, wenn es um etwas eigentlich Praktisches geht. Denken Sie nur an FCKW. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden diese Verbindungen sehr erfolgreich als Treibmittel in Spraydosen, als Kältemittel und auch als Lösungsmittel eingesetzt. Inzwischen hat sich das Image vom Universaltalent zum universellen Horror gewandelt, denn vor einigen Jahrzehnten wurde klar, dass diese Kohlenwasserstoffe einen wesentlichen Beitrag zum immer größeren Ozonloch leisten.

Weil wir Menschen immer schlauer werden, gibt es immer wieder solche Fälle: Schon mal was von PFAS gehört? Dies sind ebenfalls organische Verbindungen. (Komm schon, gib dir den vollen Namen: Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Wer sich für eine Definition interessiert, kann sie gerne hier nachlesen.) Tatsächlich reicht es zu wissen: Diese Gruppe von vielen verschiedenen Stoffen ist industriell hergestellt, ist sowohl praktisch als auch gefährlich. Dies liegt auch daran, dass PFAS nicht natürlich abbaubar sind. Von dort kommen sie auch nicht.

In der Vergangenheit wurden diese Stoffe auch mit PFC abgekürzt. Vor allem Menschen, die dem einen oder anderen Outdoor-Abenteuer zugeneigt sind, kommen PFC oder PFAS sehr entgegen. Sie helfen dabei, Kleidung wasserabweisend und atmungsaktiv zu machen: Trocken bleiben, ohne zu schwitzen, das lieben Außenstehende. Kein Wunder also, dass PFAS auch in Imprägniermitteln oder zur Wasser- und Fettabweisung von Papier verwendet wird. Fettabweisend, das gilt auch für die Beschichtung von Bratpfannen. Und wasserabweisend ist eine willkommene Eigenschaft von Skiwachs. Aber warum PFAS manchmal auch in Kosmetika vorkommt ... na ja.

Das Problem ist: Wir nehmen PFAS mit unserer Nahrung auf – vor allem mit tierischen Lebensmitteln, denn das haben Fische und Wildschweine irgendwann getan. PFAS können über die Atmosphäre in entlegene Gebiete transportiert werden und reichern sich in Böden, Gewässern und damit in Pflanzen und Tieren an. Die Stoffe gelten als gesundheitsgefährdend – je nach aufgenommener Menge, denn die Dosis macht meist das Gift. Sie können die Leber schädigen, das Immunsystem negativ beeinflussen und stehen im Verdacht krebserregend zu sein.

Es liegt auf der Hand, dass das Risiko einer Einschleppung von PFAS in den eigenen Organismus allein durch den Verzicht auf tierische Produkte, insbesondere Fleisch und Fisch, reduziert werden kann. Einfach nur dumm: Wir können dieses Zeug auch als Veganer atmen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie aus den USA, die jetzt in der Zeitschrift Environmental Science & Technology Letters veröffentlicht wurde. Dafür haben die Forscher eigens eine neue Messtechnik entwickelt. „Nahrung und Wasser sind bekanntlich wichtige Quellen der PFAS-Exposition. Unsere Studie zeigt, dass Raumluft einschließlich Staub eine weitere Expositionsquelle für potenziell schädliche Chemikalien ist“, erklärt Rainer Lohmann, Studienleiter und Professor für Ozeanographie an der Universität von Rhode Island.

Lohmann und Team haben PFAS-Chemikalien in der Luft von Büros, Labors, zu Hause und auch in Kindergärten entdeckt. Da auch Teppiche, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, mit PFAS behandelt werden, stellen sie eine besonders bemerkenswerte Quelle für Stofffreisetzungen dar. Die höchsten Konzentrationen wurden in zwei untersuchten Teppichgeschäften gefunden. Besonders bemerkenswert ist, dass die dort in mehreren Kindergartenräumen ausgelegten Teppiche eine höhere Konzentration an PFAS aufwiesen als im Lagerraum eines Outdoor-Ladens - voller Jacken für die nächste Tagestour durch die Rocky Mountains (oder einen Herbsttag am Strand .) auf Rhode Island). Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist darauf hin, dass PFAS insbesondere bei Kindern dafür sorgen kann, dass nach einer Impfung weniger Antikörper als üblich gebildet werden.

Lösungen, bitte. Bei Teppichen ist es ganz einfach: Alte entsorgen und ggf. neue, PFAS-freie Teppiche verwenden. Auch beim Thema Kleidung sind die Worte von Co-Studienautor Tom Bruton ernüchternd: "Solange sie in Produkten verwendet werden, werden wir PFAS essen, trinken und atmen."

Verbote könnten dazu beitragen, dass PFAS in unserer Raumluft keine Rolle mehr spielt und wir uns um eine Sorge weniger kümmern müssen. Die diesbezüglichen Fortschritte zeigen auch, dass diese behördlichen Verfahren mühsam sind: Der Einsatz der PFOS-Untergruppe ist in der Europäischen Union seit 2006 verboten, PFOA seit Sommer 2020. An weiteren Beschränkungen und Verboten wird gearbeitet. Doch das ist gar nicht so einfach: Da die PFAS so viele verschiedene Stoffe umfassen, gibt es für viele PFAS keine ausreichenden Daten zur Anwendung und zu möglichen Gefahren.

Outdoor-Marken haben mittlerweile erkannt, dass man am liebsten in einer PFAS-freien Regenjacke den Alpenhauptkamm hinuntermarschiert. Bemühungen, PFAS durch harmlose Alternativen zu ersetzen, sind sichtbar und können gekauft werden. Das Problem: Nur PFAS bieten wirklich langanhaltenden Schutz vor Feuchtigkeit und Schmutz. Aber das ist erstmal gar nicht so schlimm, sagen die Hersteller: Denn bis es einen vollwertigen Ersatz gibt, muss man Jacken und Schuhe neu imprägnieren. Einkehren vor der nächsten Bergtour nicht vergessen.

Die Studie The Air That We Breathe: Neutral and Volatile PFAS in Indoor Air wurde am 31. August 2021 in Environmental Science & Technology Letters veröffentlicht. DOI: 10.1021 / acs.estlett.1c00481

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